Die Berufung bietet keinerlei Aussicht auf Erfolg
Handelsübliche und zumutbare Abweichungen von Maßdaten
Hinweisbeschluss: Abweichungen von Maßdaten bei Teppichen
Die Kammer weist die Parteien daraufhin, dass sie beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 27.02.2012 verkündete Urteil durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.
Die Klägerin bestellte am 03.12.2010 bei der Beklagten einen Teppich Nepal ohne Fransen. Dabei wurden die Maße auf dem Bestellformular handschriftlich von 2,50 m x 4,00 m auf 2,50 m x 4,50 m geändert. In den AGB der Beklagten, enthält es einen Änderungsvorbehalt. Dieser lautet: „Auch handelsübliche und für den Käufer zumutbare Abweichungen von Maßdaten bleiben vorbehalten und gelten als vertragsgemäße Leistung.". Die AGB waren auf der Rückseite des BesteLlformulars abgedruckt. Nach Lieferung des Teppichs am 14.05.2011 zahlte die Klägerin den Restkaufpreis. Der gelieferte Teppich wies an den engsten bzw. kürzesten Stellen ein Maß von 2,43 m x 4,48 m auf. Die Klägerin forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30.08. 2013 zur Nachbesserung oder Nachlieferung wegen der Maßabweichungen auf.
Dieses Begehren wies die Beklagte mit Schreiben vom 29.06. 2011 zurück. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 04.08.2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Klägerin hat behauptet, bei Bestellung geäußert zu haben, besonderen Wert auf die Korrektheit der Maße zu legen. Des Weiteren gingen von dem Teppich unerträgliche Geruchsemissionen aus und der Teppich sei an den Kanten nicht gerade, sondern weise eine konkave Ausbildung auf. Sie hat die Ansicht vertreten, dass der Änderungsvorbehalt einem Rücktritt nicht entgegen stünde, da sie bei Vertragsabschluss deutlich gemacht habe, dass ihr die genauen Maße des Teppichs besonders wichtig seien. Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.745,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2011 Zug um Zug gegen Rückgabe des Teppichs ohne Fransen zu zahlen,
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Teppichs in Annahmeverzug befindet,
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den Rechtsanwaltskosten in Höhe von 316,18 € freizustellen.
Der Teppich ist nicht mangelhaft
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, die Klägerin habe nicht daraufhin gewiesen, dass sie besonderen Wert auf die genaue Einhaltung der Maße lege. Sie hat die Ansicht vertreten, dass ihre Leistung vertragsgemäß sei, da ihre AGB Anwendung finde und die Maßabweichungen handelsüblich seien. Handelsübliche Abweichungen lägen bei Abweichungen von bis zu 5 % vor. Das Amtsgericht hat nach Vernehmung der ‚Zeugen die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt es aus: Ein Rücktrittsgrund liege nicht vor, da der Teppich nicht mangelhaft sei. Vielmehr sei nach dem wirksamen Änderungsvorbehalt die Leistung vertragsgemäß. Die Klägerin habe ihre Behauptung, der Beklagten die für sie vorliegende besondere Bedeutung der Maße deutlich gemacht zu haben, nicht beweisen können.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag vollumfänglich weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie aus, das Amtsgericht habe rechtsfehlerhaft eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend, dass konkrete Maße geschuldet werden, verneint. Die Klausel der AGB der Beklagten sei unwirksam. Die zitierte Rechtsprechung habe seit der Schuldrechtsreform keine Geltung mehr. Die Berufung ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet, denn sie bietet keinerlei Aussicht auf Erfolg.
Die Entscheidung des Amtsgerichts erweist sich vielmehr schon jetzt sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung als zutreffend. Auch das Vorbringen in der Berufung rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages nach §§ 346 Abs. 1, 323 BGB. Ein Rücktrittsgrund liegt nicht vor, da der Teppich nicht mangelhaft ist. Ein Mangel im Sinne des § 434 BGB liegt dann vor, wenn die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit negativ abweicht. Sollbeschaffenheit war nach dem wirksam einbezogenen Änderungsvorbehalt der AGB der Beklagten ein Maß von 2,50 m x 4,50 m mit der Möglichkeit einer handelsüblichen Abweichung.
Die Klausel des Änderungsvorbehalts ist wirksam. Auch nach der neuen Schuldrechtsreform ist vom Wortlaut des § 308 Nr. 4 BGB auszugehen und zu fragen, ob die konkrete Klausel den dort genannten Anforderungen entspricht. Nach § 308 Nr. 4 BGB ist eine Klausel unwirksam, welche die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders , die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen enthält, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Im Unterschied zu einem bedenklichen, freien Änderungsvorbehalt ist die Klausel in zweifacher Hinsicht eingeschränkt, nämlich durch ihre Bezugnahme auf die Art der Abweichung (Maßdaten) und das Ausmaß der Abweichung (handelsüblich).
Die Abweichungen des Teppichs sind im Rahmen der Handelsüblichkeit
Das sachlich gerechtfertigte Interesse der Beklagten an der Vereinbarung dieses Änderungsvorbehalts ergibt sich aus dem Umstand, dass ein bestimmtes Maß bei handgefertigten Teppichen nicht gewährleistet werden kann. Diesen Umstand kann das Gericht als allgemeinkundige Tatsache seiner Entscheidung zu Grunde legen, da er aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich ist. Eine Abweichung in den Maßen kann bei einer Handanfertigung nicht vermieden werden. Die Abweichung ist der Klägerin auch zumutbar. Wie bereits ausgeführt, kann eine Abweichung in den Maßen nicht garantiert vermieden werden. Wünscht der Kunde dennoch einen handgefertigten Teppich, muss er sich solche Abweichungen anrechnen lassen. Angesichts der Beschränkung auf handelsübliche Abweichungen ist auch gewährleistet, dass die Abweichungen der Maße nicht in erheblichem Maße ausfallen dürfen.
Der Teppich enthält Maßabweichungen in der Länge von 0,44 % und in der Breite von 2,88 %. Dass sich diese Abweichungen im Rahmen der Handelsüblichkeit halten wird von der Klägerin nicht bestritten. Die Klägerin konnte eine anderweitige Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend, dass die Maße genau eingehalten werden, nicht beweisen. Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung hätte nach § 305 b BGB Vorrang vor der Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gehabt. Die Kammer legt seiner Entscheidung die erstinstanzliche Beweisaufnahme zu Grunde. Eine neue Beweisaufnahme hat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu unterbleiben, denn das Amtsgericht hat die gesetzlichen Vorgaben des § 286 ZPO nicht verletzt.
Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist nicht unvollständig oder in sich widersprüchlich und verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Die Behauptung der Klägerin wurde durch die Aussage des Zeugen bestätigt. Dieser hat bekundet, dass die Klägerin darauf bestanden habe, dass der Teppich die Maße 2,50 m x 4,50 m hat. Herr … habe auch bestätigt, dass das hundertprozentig so gemacht würde. Dieser Aussage stehen die Bekundungen des Zeugen … gegenüber. Der Zeuge hat ausgesagt, die Klägerin habe nicht gesagt, dass der Teppich unbedingt diese genauen Maße haben müsse. Er habe aber bereits im Verkaufsgespräch darauf hingewiesen, dass bei Sonderanfertigungen Maßabweichungen möglich seien. Die Kammer hat keinen Anlass, dem Zeugen mehr Glauben zu schenken als den Bekundungen des anderen Zeugen.
Beide Zeugen haben ein eigenes persönliches Interesse an dem Ausgang des Verfahrens. Der Zeuge ... ist der Ehemann der Klägerin und der Zeuge ... ist Mitarbeiterin der Beklagten. Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht für die Richtigkeit der Behauptung auch nicht, dass die handschriftliche Änderung der Maße auf dem Bestellformular, entgegen den vorherigen Maßangaben, keine Cirka-Angabe enthält. Dieser Umstand spricht sogar eher dafür, dass der Klägerin aufgrund der vorherigen Cirka-Bezeichnung bewusst war, dass eine genaue Maßeinhaltung bei handgefertigten Teppichen nicht möglich ist. Jedenfalls steht die Behauptung der Klägerin nicht zur zweifelsfreien Überzeugung der Kammer fest. Damit ist die Klägerin beweisfällig geblieben.
Nacherfüllungsverlangen unter Fristsetzung, so dass dahinstehen kann, ob diese Mängel tatsächlich vorliegen. Mangels Rückabwicklungsverpflichtung befindet sich die Beklagte auch nicht im Annahmeverzug. Der Freistellungsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten ist mangels Hauptanspruches nicht gegeben. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung der Kammer erfordern und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, beabsichtigt die Kammer, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO auf Kosten der Berufungsführerin (897 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.