Aktenzeichen 1 U 179/91 Oberlandesgericht Oldenburg vom 27.02.1992

 

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 19. September 1991 geändert, soweit die Klage abgewiesen worden ist:

 

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, auch die Klausel

 

"Die Gefahr des Kaufgegenstandes geht auf den Käufer über, sobald die Sendung an die den Transport ausführende Person übergeben worden ist"

 

in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden, soweit es sich nicht um Verträge mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen oder einem Kaufmann handelt, wenn der Vertrag zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört.

 

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

 

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000,-- DM.

 

T a t b e s t a n d :

 

Die Parteien streiten um die Gültigkeit der von der Beklagten verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen.

 

Die Klägerin ist eine rechtsfähige Vereinigung, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher wahrzunehmen.

 

Die Beklagte betreibt ein Möbelgeschäft. Sie bietet ihre Ware - überwiegend Einbauküchen - überregional (durch Zeitungsanzeigen) an und verwendet auf der Rückseite der Auftragsformulare folgende, von der Klägerin beanstandete AGB:

 

a) Dem Käufer ist bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises nicht erlaubt, den Kaufgegenstand in Gebrauch zu nehmen,

 

b) Eine Wandlung und/oder Minderung des Kaufvertrages ist für den Käufer ausgeschlossen. Der Käufer hat lediglich das Recht zur Nachbesserung des Kaufgegenstandes oder Ersatzlieferung,

 

c) Der Käufer muß die Sendung unverzüglich nach Ankunft auf Transportschäden untersuchen und der Verkäuferin von etwaigen Schäden und Verlusten sofort durch Tatbestandsmeldung des Spediteurs oder eine schriftliche Versicherung, die von zwei Zeugen und dem Kunden unterschrieben sein muß, Mitteilung machen,

 

d) Die mangelhaften Liefergegenstände müssen in dem Zustand, in dem sie sich im Zeitpunkt der Feststellung des Mangels befinden, zur Besichtigung bereitgehalten werden,

 

e) Ein Verstoß gegen die vorstehenden Bestimmungen schließt jedwede Gewährleistungsansprüche gegen die Verkäuferin aus,

 

f) Schadensersatzansprüche aus Unmöglichkeit der Leistung wegen Nichterfüllung aus positiver Vertragsverletzung, aus Verschulden bei Vertragsabschluß und aus unerlaubter Handlung sind sowohl gegenüber der Verkäuferin als auch gegenüber ihren Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen ausgeschlossen, soweit der Schaden nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde,

 

g) Nebenabreden, Änderungen und Ergänzungen des Vertrages sind nur gültig, wenn sie im Vertrag schriftlich niedergelegt sind,

 

h) Die Verkäuferin bemüht sich, die im Kaufvertrag angegebenen Termine einzuhalten,

 

i) Gerät sie in Verzug, so kann der Käufer nur nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Die Dauer der vom Käufer zu setzenden Nachfrist wird auf 6 Wochen festgesetzt, die mit Eingang der Nachfristsetzung bei der Verkäuferin beginnt,

 

j) Die Gefahr des Kaufgegenstandes geht auf den Käufer über, sobald die Sendung an die den Transport ausführende Person übergeben worden ist.

 

 

Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung des Gebrauchs dieser AGB verklagt und die Bekanntmachungsermächtigung der Urteilsformel beantragt.

 

Das Landgericht hat der Klage bis auf den Gebrauch der Klausel j) stattgegeben, da die Bestimmungen gegen das AGB-Gesetz (AGBG) verstießen. Zulässig sei aber die Gefahrübertragungsregelung für den Transport, da sie der gesetzlichen Regelung für den Versendungskauf entspreche.

 

Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien, die das landgerichtliche Urteil mit Rechtsausführungen angreifen.

 

Die Klägerin beantragt, wie erkannt.

 

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

 

Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

 

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Von den zulässigen Berufungen bleibt die Berufung der Beklagten ohne Erfolg; die Berufung der Klägerin ist hingegen begründet.

 

1. Das Landgericht hat die Ziffern 1 - 4 (Klauseln a) bis i) der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten mit zutreffenden Erwägungen für unwirksam erklärt und der Beklagten die weitere Verwendung untersagt. Der Senat folgt den Ausführungen des Landgerichts und nimmt darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, § 543 Abs. 1 ZPO.

 

Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung der Beklagten sind nicht stichhaltig:

 

Klausel a)

Es ist zwar zutreffend, daß § 455 BGB nur eine Auslegungsregelung enthält. Das gilt aber nur - schon nach dem gesetzlichen Wortlaut - für die Form des Eigentumsübergangs und die Rücktrittsberechtigung beim Verzug. Diese Regelungen können ohne weiteres (individuell) abbedungen werden. Das gilt aber nicht für die Gebrauchsbefugnis; denn Zweck des Eigentumsvorbehalts ist es unter anderem gerade, dem Käufer den vorzeitigen Gebrauch des Kaufgegenstandes ohne sofortige volle Bezahlung zu ermöglichen (Palandt/Putzo, BGB, 50. Aufl., § 455 Rdn. 2). Das Gebrauchsverbot steht somit in Widerspruch zu diesem dem Rechtsinstitut des Eigentumsvorbehalts immanenten Sinngehalt; daher ist es mit § 9 Abs. 2 AGBG nicht vereinbar.

 

Klausel b)

Eine Beschränkung der gesetzlichen Gewährleistungsrechte ist zwar grundsätzlich zulässig; nach der gesetzlichen Bestimmung des § 11 Nr. 10 b AGBG muß dem anderen Vertragsteil aber ausdrücklich das Recht vorbehalten bleiben, bei Fehlschlagen der Nachbesserung Wandlung bzw. Minderung zu verlangen. Das stellt auch die Berufung nicht in Abrede. Dieser ausdrückliche Vorbehalt fehlt indessen in der Klausel b), so daß sie einer Überprüfung nach dem AGBG nicht standhält.

 

Klausel c)

Zutreffend weist die Berufung darauf hin, daß die vom Landgericht festgestellte unangemessene Benachteiligung nicht für Mängelrügen allgemein gilt, sondern nur für Transportschäden, dafür eine Tatbestandsaufnahme aber zulässig sein muß. Grundsätzlich kann auch die Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung von Transportschäden nicht als unzumutbar angesehen werden, da es sich ohnehin um eine vertragliche Nebenpflicht handelt, um den Vertragsparteien die Rechte gegenüber dem Transporteur zu erhalten. Da es nur um die Feststellung von Transportschäden geht, liegt keine unzulässige Verkürzung der Rügepflicht vor. Dennoch belastet die beanstandete Klausel den Käufer über Gebühr, da die darin enthaltene Verpflichtung zur Hinzuziehung von zwei Zeugen sachlich nicht geboten ist. Daß eine Beweissicherung nur in dieser Weise erfolgen darf, beschneidet die Rechte des Käufers unangemessen und ist deswegen wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG, aber auch als Überraschungsklausel wegen Verstoßes gegen § 3 AGBG unwirksam.

 

Klausel d)

Das Landgericht hat diese Bestimmung zutreffend für rechtsungültig gehalten, weil das Bereithalten im vorhandenen Zustand einem Benutzungsverbot gleichkommt. Soweit die Berufung geltend macht, darin liege kein Benutzungsverbot, verkennt sie, daß der Wortlaut der Klausel zumindest unklar ist und eine Auslegung, daß die Ware bis zur endgültigen Feststellung der Mängel nicht benutzt werden darf, sogar naheliegt. Dann greift aber die Unklarheitenregel gemäß § 5 AGBG, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen. Daß die Klausel bei einem Benutzungsverbot unzulässig ist, stellt auch die Berufung nicht in Abrede.

 

Klausel e)

Die Unwirksamkeit dieser Bestimmung folgt bereits aus der Unwirksamkeit der vorangegangenen Klauseln.

 

Klausel f)

Die Gültigkeit dieser Klausel ist nicht an § 11 Nr. 7 AGBG zu messen, sondern an § 11 Nr. 8 b AGBG. Danach ist ein völliger Gewährleistungsausschluß (auch für fahrlässige Schädigung) unzulässig. Diese Bestimmung will nämlich sicherstellen, daß dem Vertragspartner des Verwenders der AGB ein Schadensersatzanspruch für den Fall einer vom Verwender zu vertretenden Unmöglichkeit verbleibt. § 11 Nr. 8 b AGBG verbietet deshalb jeglichen Ausschluß von auf Unmöglichkeit resultierenden Schadensersatzansprüchen und erklärt deshalb auch die Haftungsfreizeichnung für leichte Fahrlässigkeit für unwirksam (vgl. Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen AGBG, § 11 Nr. 8 Rdn. 9). Diese Bestimmung findet aber nicht nur für Schadensersatzansprüche aus Unmöglichkeit, sondern - analog - auch Anwendung für die Fälle positiver Vertragsverletzung (Ulmer/Brandner/Hensen a.a.O. Rdn. 11; LG Köln NJW-RR 1987, 885 f., 886).

 

Klausel g)

Die Klausel, wonach Nebenabreden, Änderungen und Ergänzungen des Vertrages nur gültig sind, wenn sie im Vertrag schriftlich niedergelegt sind, ist unwirksam, weil sie auf einen - nach der Rechtsprechung unzulässigen - völligen Ausschluß der Wirksamkeit mündlicher Nebenabreden zielt. Es ist anerkannt, daß eine Schriftlichkeitsklausel außer Kraft gesetzt werden kann, wenn die Vertragsschließenden deutlich zum Ausdruck bringen, die mündlich geschlossene Abrede solle ungeachtet dieser Klausel gelten (BGH NJW 1985, 320 ff., 322). Die beanstandete Bestimmung führt dem Kunden hingegen die - scheinbar - unumstößliche Rechtsfolge vor Augen, daß mündliche Vereinbarungen keine Gültigkeit hätten. Damit wird er bereits hierdurch davon abgehalten, sich auf ergänzende mündliche Nebenabreden zu berufen (OLG Karlsruhe, NJW 1984, 405 f., 406). Demzufolge sind Klauseln, die unterschiedslos die Unwirksamkeit schriftlich nicht bestätigter Vereinbarungen vorsehen, nicht zulässig (BGH NJW 1982, 1389 f., 1390).

 

Klausel h)

Zutreffend hat das Landgericht den Hinweis der Beklagten in Ziffer 4 ihrer AGB, daß sie sich "bemühen" wolle, die angegebenen Termine einzuhalten, als unwirksam angesehen. Damit wird deutlich gemacht, daß sie die im Kaufvertrag angegebenen Termine nur als annähernd und unverbindlich ansieht und eine nicht hinreichend bestimmte Frist für die Erbringung ihrer Leistung vorbehält (BGH BB 1983, 524 f., 525; Ulmer/Brandner/Hensen a.a.O., § 10 Nr. 1 Rdn. 18). Die Klausel verstößt somit - auch wegen unzumutbarer Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Kunden - gegen § 10 Nr. 1 AGBG.

 

Klausel i)

Eine generelle Nachfristsetzung von sechs Wochen ist - auch im Möbelhandel - als unangemessen lange anzusehen und verstößt damit gegen § 10 Nr. 2 AGBG. Daß der BGH (NJW 1983, 1321) über eine Nachfrist von 3 Monaten zu befinden hatte und diese für zu lang gehalten hat, läßt nicht den Umkehrschluß zu, daß eine kürzere Frist angemessen ist. Da sich der Verkäufer mit dem Abschluß eines bestimmten Liefertermins bereits in Verzug befindet, besteht für den Käufer ein baldiges Interesse an der endgültigen Klärung der Rechtslage und dem Eintritt der Verzugsfolgen. Deshalb ist für den Möbelhandel bereits eine Nachfrist von vier Wochen als unangemessen lang angesehen worden (BGH NJW 1985, 320 ff., 323; OLG Hamm NJW-RR 1987, 311 ff., 315; MüKo-Kötz, 2. Aufl., § 10 Nr. 2 AGBG Rdn. 14).

 

2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hält auch die Ziffer 5 der AGB (Klausel j) einer Überprüfung nach dem AGBG nicht stand.

 

Nach Betriebsstruktur, Sortiment und Kundenkreis ist die Firma der Beklagten nicht mit üblichen Möbelhäusern vergleichbar. Der Kunde ist nicht in der Lage, Möbelstücke sogleich mitzunehmen. Vielmehr werden erst nach individueller Beratung, die auf die örtlichen Gegebenheiten beim Kunden abgestimmt ist - wie bei Einbauküchen üblich -, Verträge geschlossen, die eher als Werklieferungsverträge denn als Kaufverträge zu qualifizieren sind. Die Küchen werden dann auch von der Beklagten geliefert und durch ihre Mitarbeiter aufgebaut, was ebenfalls der Üblichkeit entspricht. Da die Beklagte auch überregionale Kunden beliefert, die unterschiedlich weit entfernt wohnen, entspricht die Lieferpauschale von 1,-- DM pro km nicht etwa für einen Versendungskauf, sondern für eine - sachlich gerechtfertigte - Beteiligung des Kunden an den Transportkosten der Beklagten, die sich damit zu einer Bringschuld verpflichtet hat. Es liegt nämlich kein Versand des Verkäufers "auf Verlangen des Käufers" im Sinne des § 447 Abs. 1 BGB vor, sondern die Inanspruchnahme der von der Beklagten angebotenen Serviceleistungen, ohne die der Kaufvertrag nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Klägerin für die Beklagte praktisch nicht erfüllbar wäre. Dann geht nach der gesetzlichen Regelung die Gefahr erst mit Übergabe der Sache an den Käufer auf diesen über, § 446 Abs. 1 BGB. Dem widerspricht die Gefahrtragungsregelung in Ziffer 5 der AGB der Beklagten, womit wegen des Abweichens von einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung die Klausel gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam ist.

 

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

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