Aktenzeichen 6 U 137/96 OLG Düsseldorf vom 13. Februar 1997

 

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.02.1996 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

 

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

 

Das Landgericht hat der Beklagten zu recht untersagt, die Klausel „Sonderangebot! Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“ im nicht kaufmännischen Verkehr zu verwenden.

 

Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gemäß § 13 Abs. 1 AGBG i.V.m. § 11 Nr. 10 a AGBG, 3 9 Abs. 1 AGBG liegen hier vor.

 

Dem Kläger steht gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBG das recht zu, im Wege der Verbandsklage nach den §§ 13 ff AGBG die Unterlassung der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verlangen, die nach den §§ 9-11 AGBG unwirksam sind.

 

Das der Kläger ein rechtsfähiger Verband i.S.d. § 13 Abs. 2 Nr. 1 AGBG ist, ist offenkundig und bedarf keiner näheren Erläuterung.

 

Mit Recht – und dies wird von der Beklagten in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen – geht das Landgericht davon aus, dass der Unterlassungsklage nicht der Einwand des fehlenden Rechtsschutzinteresses entgegensteht, auch wenn die Beklagte ihren aktiven Geschäftsbetrieb im Einzelhandel im Januar 1996 eingestellt hat.

Eben sowenig ist dadurch die Wiederholungsgefahr entfallen, die – materiell – rechtlich – Voraussetzung für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist.

 

Die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die unzulässige Klauseln enthalten, begründet regelmäßig eine tatsächliche Vermutung für eine Wiederholungsgefahr. An die Beseitigung dieser Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen. So lässt z.B. die Änderung der beanstandeten Klauseln allein die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Auch die bloße Absichtserklärung des Verwenders, die beanstandeten Klauseln nicht weiter zu verwenden, reicht regelmäßig nicht aus, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Hierfür sind vielmehr Umstände erforderlich, bei deren Vorliegen nach allgemeiner Erfahrung mit einer Wiederholung nicht mehr zu rechnen ist (vgl. dazu BGH WM 1986, 335, 336 m.w.N.).

 

Die Wiederholungsgefahr besteht dann fort, wenn der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – wie hier die Beklagte – die beanstandete Allgemeine Geschäftsbedingung nach wie vor verteidigt und es weiterhin ablehnt, ihretwegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben (BGH a.a.O.). Darüber hinaus kann – so das Landgericht mit Recht – nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beklagte bei der Abwicklung der bereits geschlossenen Kaufverträge auf die unwirksame Klausel beruft, wie sie dies unstreitig im Verfahren 44 C 14119/94 – Amtsgericht Düsseldorf – ja auch tut. Eben sowenig kann ausgeschlossen werden, dass die Beklagte das zum 31.01.1996 abgemeldete Gewerbe wieder aufnimmt.

 

Bei der beanstandeten Klausel handelt es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung i.S.v. § 1 Abs. 1 AGBG, die von der Beklagten bei Abschluss der Kaufverträge über Sonderangebote gestellt wird und die gemäß § 11 Nr. 10 a AGBG, § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist.

 

Es handelt sich um eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Klausel.

 

Vertragsbedingungen sind dann vorformuliert, wenn sie vor Vertragsabschluss fertig aufgestellt sind und feststehen. Auf welche Weise die Vorformulierung erfolgt, ist gleichgültig. Ausreichend ist es bereits, wenn die Vertragsbedingungen im Gedächtnis gespeichert werden (BGH NJW 1988, 410; OLG Köln, VersR 1995, 647 648; Erman/Hefermehl, 9. Aufl. 1993, § 1 AGBG Rdnr. 10; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 12; Palandt/Heinrichs, § 1 AGBG, Rdnr. 5).

 

Das die beanstandete Klausel auf den von der Beklagten gefertigten Hinweisschildern demnach vorformuliert ist, bedarf keiner näheren Erörterung.

 

Die Klausel ist auch für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert.

 

Dies folgt bereits daraus, dass die Beklagte selbst einräumt, ihre Sonderangebote im Rahmen der Verkaufsausstellung regelmäßig mit Hinweis – oder Preisschildern gekennzeichnet zu haben, die die vom Kläger beanstandete Vertragsbedingung enthielten. Damit liegen – unstreitige – Tatsachen vor, die die tatsächliche Vermutung für eine Verwendungsabsicht der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen begründen.

 

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist, nicht darauf an, ob der Kläger beweisen kann, dass die beklagte in mindestens drei bis fünf Fällen die Klausel verwendet hat. Denn es ist nicht entscheidend, ob die Vertragsbedingungen tatsächlich bereits in eine Vielzahl von Rechtsgeschäften Eingang gefunden haben, sondern es kommt allein darauf an, dass der Verwender die Einbeziehung in eine Vielzahl von Verträgen bezweckt (nur insoweit gilt die untere Grenze von drei bis fünf Verwendungen) (vgl. dazu Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl., § 1 Rdnr. 23; Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., § 1 Rdnr. 13).

 

Die planmäßige Absicht, die Klausel in einer Vielzahl von Fällen zu verwenden, ergibt sich auch hier daraus, dass die Beklagte die beanstandete Klausel regelmäßig im Rahmen des Verkaufs von Sonderangeboten verwendet hat.

 

Diese Vertragsbedingung wird von der Beklagten auch gestellt oder verwendet i.S.d. § 13 AGBG.

 

Dabei ist es für den Unterlassungsanspruch des § 13 AGBG nicht erforderlich, dass die Allgemeine Geschäftsbedingung bereits in einem Vertrag einbezogen ist. Es genügt, dass sie mit Wiederholungsabsicht in den rechtsgeschäftlichen Verkehr gebracht worden ist. Ausreichend ist daher die Bezugnahme oder Abdruck in einem Angebot oder eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes oder der Abdruck im Kopf eines Geschäftsbriefes (vgl. dazu/Heinrichs, § 13 AGBG, Rdnr. 2 m.w.N.). Insoweit können dieselben Grundsätze herangezogen werden, die die Rechtsprechung zum Begriff des „Stellens“ i.S.d. § 1 AGBG herausgearbeitet hat.

 

Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 05.04.1990 – 6 U 167/89 – (VersR 1991, 989, 990) entschieden, dass es für das Merkmal des „Stellens“ ausreicht, wenn eine Partei hinsichtlich der vorformulierten Bedingung ein konkretes Angebot auf Einbeziehung in den Vertrag macht. Es ist demgegenüber nicht erforderlich, dass die Vertragsbedingung dem anderen Teil auferlegt, d.h. Ohne Verhandlungsbereitschaft oder aufgrund entsprechender Machtposition des Verwenders einseitig durchgesetzt werden muss (Palandt/Heinrichs, § 1 AGBG, Rdnr. 7). Es reicht daher schon aus, wenn eine Partei die Einbeziehung der vorformulierten Bedingung in den Vertrag veranlasst (OLG Düsseldorf, BB 1994, 1521; Ulmer/Brander/Hensen, § 1 Rdnr. 27 m.w.N.).

Entgegen der Ansicht der Beklagten wird die beanstandete Klausel nicht individualvertraglich in die Kaufverträge einbezogen. Insbesondere ist ein „Stellen“ einer vorformulierten Bedingung nicht erst dann anzunehmen, wenn eine Vertragspartei die von ihr ausgesuchten Bedingung derart in die Vertragsverhandlungen einführt, dass die andere Vertragspartei keine reale Möglichkeit zum Aushandeln sieht (so Wolf/Horn/Lindacher, § 21 Rdnr. 10). Einem solchen Verständnis des Merkmals „Stellen“ steht der Schutzzweck des AGB - Gesetz entgegen, und zwar unabhängig davon, ob man diesen Zweck grundsätzlich und vor allem im Schutz des Verbrauchers oder darin, den mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen typischerweise und unabhängig von der Stärke der Marktpartner verbundenen Gefahren für den Kunden zu begegnen (vgl. OLG Düsseldorf – Senat VersR 1991, 989, 990 m.w.N.). Hier hat die Beklagte sogar selbst vorgetragen, dass der an einem Sonderangebot interssierte Kunde lediglich die Wahl hatte, den Kaufvertrag entweder mit der beanstandeten Klausel oder aber gar nicht abzuschließen.

 

Dementsprechend ist nicht ersichtlich – so das Landgericht mit Recht -, dass die Beklagte zu Vertragsverhandlungen über den Vertragsinhalt bereit war. Der Kunde hatte keine Möglichkeit, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.

 

Die Klausel verstößt gegen § 11 Nr. 10 a AGBG.

 

Nach dieser Vorschrift ist eine Bestimmung unwirksam, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen die Gewährleistungsansprüche gegen den Verwender einschließlich etwaiger Nachbesserungs- und Ersatzlieferungsansprüche insgesamt ausgeschlossen werden. Eine solche Klausel verwendet die Beklagte hier.

 

Neu sind Sachen, die zuvor noch nicht in den Verkehr gelangt und ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch zugeführt worden sind (Wolf/Horn/Lindacher, Einleitung § 11 Nr. 10, Rdnr. 3 m.w.N.). Noch nicht in den Verkehr gelangt sind Sachen, wenn sie vom Hersteller oder Händler zur Weitveräußerung an Endbenutzer oder Endverbraucher angeboten werden und nicht zuvor für eigene Zwecke benutzt worden sind (a.a.O.). Auch Waren zu Discountpreisen, die noch nicht im Gebrauch waren sowie sonstige Sonderangebote stellen nach der Verkehrsauffassung neu hergestellte Waren der (Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., Rdnr. 30 m.w.N.). Ein Erwerber erwartet bei einem als Sonderangebot verkauften Ausstellungsstück eine volle Gebrauchstauglichkeit und Funktionsfähigkeit. Soweit kleinere Mängel vorliegen, die zu einem Preisnachlass geführt haben können, führt dies nicht dazu, diese Sache nicht mehr als neu ansehen zu können.

 

Denn „neu“ bedeutet nicht „fehlerfrei“ (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 1464 unter Hinweis auf BGH NJW 1980, 2129). Darüber hinaus sind solche unwesentlichen Veränderungen der Ware auch nicht der einzige denkbare Grund für ein „Sonderangebot“. Zutreffend hat der Kläger darauf hingewiesen, dass sich Sonderangebote beispielsweise im Schlussverkauf, bei Lagerräumung oder Einlagerung einer neuen Möbelkollektion finden. Auch als „Sonderangebote“, wie von der Beklagten auf ihren Hinweisschildern bezeichnet, offerierte Waren können daher als neu hergestellte Sachen angesehen werden. Hinsichtlich solcher Sachen ist ein Gewährleistungsausschluss unwirksam.

 

Aber auch wenn man die von der Beklagten verkauften Ausstellungsstücke als gebrauchte Sachen ansehen würde, wäre die Klausel unwirksam. Denn insoweit wäre die Klausel an § 9 AGBG, insbesondere an § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG i.V.m. §§ 459 ff BGB zu messen (vgl. dazu Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., Rdnr. 12). Ein Gewährleistungsanspruch bei solchen Ausstellungsstücken wäre aber nur insoweit zulässig, als offensichtliche Mängel davon erfasst werden, die der Kunde bei Abschluss des Kaufvertrages bemerken muss. Unzulässig ist es jedoch, die generelle Funktionsfähigkeit der Ausstellungsstücke unter den Gewährleistungsausschluss fallen zu lassen, wie es die beklagte mit der Klausel einschränkungslos formuliert. Dies hätte zur Folge, dass dem Kunden auch hinsichtlich eines Möbelstücks, das sich erst nach Anlieferung als Völlig funktionsuntauglich, etwa weil es völlig morsch ist, herausstellt, keine Gewährleistungsansprüche zustünden. Das benachteiligt den Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und führt zur Unwirksamkeit der von der Beklagten verwendeten Klausel.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

Wert der Beschwer der Beklagten und Berufungsstreitwert: 3.000 DM.

 

 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach §§ 546 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.

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